Depressionen bei der Katze
Als Katzendame Luna mit sieben Jahren viel zu früh an Nierenversagen verstarb, fiel ihr Bruder Sammy in ein tiefes Loch. Als Wurfgeschwister waren sie zusammen in den Haushalt ihrer Familie gekommen und seitdem immer Seite an Seite gewesen. Dass er plötzlich ohne sie weiterleben musste, ließ ihn in eine tiefe Depression abrutschen, die über eine normale Trauer hinausging.
Ja, auch Katzen können psychologische Krisen wie z.B. Depressionen bekommen. Es sind sehr sensible Tiere mit einem feinen Gespür für Stimmungen und Gefühle, die sich mit plötzlichen Veränderungen oft sehr schwer tun. Die Ursachen für diese ernstzunehmende psychologische Erkrankung sind vielfältig, z.B. ein Umzug in ein neues Zuhause, der Verlust einer wichtigen Bezugsperson, eine schmerzhafte Verletzung oder, wie bei Sammy, der Verlust eines Partnertiers. Diese gravierenden Lebenseinschnitte können dazu führen, dass eine Katze ihren Lebensmut verliert.
Ähnlich wie bei uns Menschen wird auch bei Tieren über das Thema Depression immer noch hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Dabei ist es ein wichtiges Thema, das unbedingt mehr in die Öffentlichkeit getragen werden sollte. Depressionen bei Tieren kommen häufiger vor als man denkt!
Depressive Katzen zeigen ganz unterschiedliche Symptome. Sie verlieren z.B. ihren Appetit und ziehen sich von ihren Menschen zurück. Man könnte leicht meinen, dass die Katze einfach nur mehr schlafe, tatsächlich ruht sie aber vermehrt und ist dabei geistig abwesend. Nicht mal ihre geliebten Menschen können sie in ihrer dunklen Stimmung noch erreichen. Betroffene Katzen spielen weniger und manche stellen sogar die Fellpflege ein. Was auch vorkommen kann, ist eine gesteigerte Reizbarkeit. Die gedrückte Stimmung schlägt bei manchen Patienten sogar in Aggression um.
Kater Sammy war so unendlich traurig über den Verlust seiner Schwester, dass er sich verkrümelte, nichts mehr mit seiner Familie zu tun haben wollte, und die meiste Zeit an seinem Rückzugsort lag und vor sich hin starrte. Natürlich fiel seinen Menschen auf, dass er unter der Einsamkeit litt, deshalb suchten sie im Tierheim nach einer neuen Partnerkatze für ihn und brachten eine hübsche junge Kätzin mit nach Hause. Für Sammy machte das alles noch viel schlimmer. Er fühlte sich sowieso nicht belastbar und war mit der neugierigen neuen Mitbewohnerin völlig überfordert. Noch mehr Veränderung in seinem Zuhause, das konnte er wirklich nicht ertragen. Deshalb fauchte er sie immer an, wenn sie ihm zu nahe kam. Er wollte einfach seine Ruhe haben. Obwohl Sammys Familie es gut gemeint hatte, waren nun alle unglücklich: Sammy, die neue Katze, und die Menschen darüber, dass sich die beiden Tiere nicht anfreundeten.
Als Sammy langsam das Fressen einstellte und immer dünner wurde, brachte man ihn zum Tierarzt. Mit einer Reihe von Untersuchungen konnte ausgeschlossen werden, dass Sammys Zustand körperliche Ursachen hatte. Der Tierarzt empfahl der Familie, einen Katzenpsychologen zu Rate zu ziehen.
Der Experte kam zu ihnen nach Hause und führte zunächst ein langes Gespräch zusammen mit allen Familienmitgliedern. Jeder schilderte die Situation aus seiner Perspektive. Er schaute sich außerdem die Wohnsituation an: Körbchen, Katzenklos, Näpfe, Versteckmöglichkeiten, Ruhezonen etc. Auch Kater Sammy beobachtete der Psychologe eine Weile, wie er unterm Bett lag und sich gar nicht für die neue Person zu interessieren schien. Aus all diesen Informationen und dem Bericht des Tierarztes über Sammys Untersuchungen stellte der Katzenpsychologe die eindeutige Diagnose: Depression.
Sammy bekam ein Medikament verschrieben, ein Antidepressivum. Es dauerte zwar eine Weile, bis es anfing zu wirken, aber nach und nach schien Sammy aus der dunklen Wolke, die ihn umgab, wieder aufzutauchen. Zusätzlich wurden im Haushalt Wohlfühlpheromone eingesetzt, die das Zusammenleben für beide Katzen entspannter machten. Gemeinsam mit Sammys Familie entwickelte der Katzenexperte einen Plan, wie man die Wohnsituation zusätzlich verbessern konnte. Mit seiner Schwester war Sammy sehr eng verbunden gewesen und hatte ihre Nähe toleriert. Mit der neuen Mitbewohnerin sah das anders aus. Er brauchte mehr Raum für sich. Getrennte Futterplätze, eigene Katzentoiletten, Liegeplätze, die nur für ihn erreichbar waren – ein individuelles Katzenmanagement zu Hause ist ein wichtiger Baustein in der Therapie. Zum Glück hatten sich Sammys Besitzer professionelle Hilfe geholt und waren bereit, die Expertentipps umzusetzen, auch wenn das bedeutete, die Wohnung ein bisschen umzugestalten.
Was Sammy außerdem half, aus seiner Depression wieder heraus zu kommen, war die Zuneigung und Liebe seiner Besitzer. Aber erst mit den verordneten Medikamenten konnte er diese überhaupt wieder wahr- und annehmen. Dass sie ihn nicht aufgaben und sich so rührend um ihn kümmerten, baute ihn wieder auf. Nach einiger Zeit konnte das Antidepressivum sogar durch ein stimmungsaufhellendes pflanzliches Medikament ersetzt werden.